Ger­da Neun­ho­ef­fer, Luzern­er Zeitung

In kurzem Abstand präsen­tieren sich in Luzern zwei neue junge Orch­ester und demon­stri­eren, wie man am gemein­samen Musizieren wächst: Nach dem erfol­gre­ichen ersten Konz­ert der “Four For­est Strings” kür­zlich im Neubad konz­ertiert am Fre­itagabend die “Cam­er­a­ta Luzern” in der Matthäuskirche. Sie wurde vor einem Jahr von jun­gen Musik­ern ver­schieden­er Schweiz­er Musikhochschulen gegründet.

Das Pro­gramm ist eben­so ambi­tion­iert wie die ver­schiede­nen Beset­zun­gen und das zupack­end frische Spiel. Man wird direkt in einen akustis­chen Sturm hineinge­zo­gen, als acht Stre­ich­er «Bat­talia» von Hein­rich Ignaz Franz Biber (1644 – 1704) anstim­men. Vehe­ment brausen die Klänge von Vio­li­nen und Bratschen, Cel­lo und Vio­lone auf, perkus­sive Rhyth­men wer­den mit den Bögen geschlagen.

Bei aller Konzentration auch viel Spass

Als alle wie in ein­er Katzen­musik durcheinan­der­spie­len – her­rlich auskom­poniert von Biber – merkt man, wie viel Spass bei aller Konzen­tra­tion hier dabei ist. Diri­gent Gre­gor Bugar (22) leit­et die Spiel­er sou­verän durch Schlacht­getüm­mel und Kla­gen, trifft die bild­hafte Ton­sprache genau: «Him­mel­hoch jauchzend, zum Tode betrübt» wie das The­ma des Konzertes.

Dann kom­men weit­ere Stre­ich­er, Flöte, Hörn­er und Oboen dazu. Die Musik­erin­nen und Musik­er sind nicht wie üblich schwarz gek­lei­det, sie zeigen auch in ihrer Bun­theit Indi­vid­u­al­ität. Sie musizieren, bis auf die drei Cel­li, im Ste­hen. Mit Mimik und Gestik unter­stre­icht der brasil­ian­is­che Bari­ton Gio­van­ni Baraglia die bei­den Konz­er­tarien von Beethoven. Er gestal­tet das Unver­ständ­nis über die Worte sein­er Mut­ter «Küssen, Kind, ist Sünde» wun­der­bar glaubhaft.

Das Orch­ester musiziert mitreis­send […]. […] Die tem­pera­mentvolle Inter­pre­ta­tion, die Baraglia mit viel Humor würzt, bringt die Zuhör­er zum Schmun­zeln. In Joseph Haydns Sin­fonie fis-Moll, der «Abschiedss­in­fonie», wech­seln die ersten mit den zweit­en Vio­li­nen, ein beleben­der Rol­len­tausch. Das ganze Tem­pera­ment des jun­gen Orch­esters zeigt sich im «Alle­gro assai» in rasch vib­ri­eren­dem Tempo. […]

Einer nach dem anderen schleicht sich weg

Es fol­gen sat­ter Hörn­erk­lang im Menuett und kom­pakt orches­trale Strahlkraft im Finale mit vir­tu­osen Unisono-Läufen, die wie aus einem Guss gespielt wer­den. Dann zarte Melodik, aus der sich langsam ein­er nach dem anderen wegschle­icht, sich auf frei gehal­tene Plätze mit­ten im Pub­likum set­zt, bis nur noch zwei ein­same Vio­li­nen übrig sind. Auch der Diri­gent hat sich längst ver­ab­schiedet. Nach langem Beifall kom­men aber alle wieder zurück, und die Wieder­hol­ung der Beethove­nar­ie «Mit Mädeln sich ver­tra­gen» besticht nun auch durch dif­feren­zierte Begleitung, dass die Musik­er sog­ar Text­teile lau­thals mit rufen, kommt beson­ders gut an.

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